Ich bekenne. Die Geschichte einer Frau by Müller-Jahnke Clara
Autor:Müller-Jahnke, Clara
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-02T16:00:00+00:00
Am Sonntagvormittag suchte ich Frau Hoffmann auf. Da setzte ich zum erstenmal den Fuà in die jedes freundlichen Schmuckes baren, in die grauen, verwohnten, zerfallenen, himmelhohen Arbeiterkasernen im Nordosten von Berlin.
Das Haus erschien, selbst in dem grellen Julisonnenlichte dieses Vormittags, mir seltsam bekannt. Und ich hatte es doch erst ein einziges Mal im Leben gesehen: in herbstlichem Dämmerlicht und blendendem Blitzesschein. Ich ging durch den engen, hohen Korridor des Vorderhauses, über den ersten Hof und wiederum durch schmutzige graue Flure, in denen blasse Kinder lärmten. Ein verkrüppelter, etwa zehnjähriger Junge schien der Anführer der Bande zu sein. Im Vorübergehen streifte ich ihn mit dem Kleide, und unsere Blicke trafen sich, wobei eine seltsame Aehnlichkeit mit irgend jemandem, den ich kannte, aber nicht zu nennen wuÃte, mir in die Augen sprang. Doch ich hatte keine Zeit, um tiefer darüber nachsinnen zu können. Abermals muÃte ich über einen Hof, und dann ging es linker Hand vier enge, ausgetretene Stiegen empor, die mich hoch und höher führten, bis fast in den Himmel hinauf.
Drei Türen dort oben! Verlegen stand ich im Dämmerdunkel des Vorraumes; Visitenkarten kennt man in diesen Regionen nicht. Lange Zeit war ich unschlüssig, an welcher Tür ich Einlaà begehren sollte, bis mich ein lautes Sprechen hinter der mittleren aufmerksam machte.
Eine Männerstimme! Nicht doch â die Frau wohnte ja allein. Aber sie hatte soeben ein schweres Wochenbett überstanden, und vielleicht war der Arzt bei ihr oder irgendein guter Nachbar. Das leise Weinen eines kleinen Kindes bestärkte mich in der Vermutung, daà dies die rechte Pforte sei. Ich klopfte also, trotz eines beklemmenden Gefühls, etwas zaghaft an die mittlere Tür.
Sie wurde von innen geöffnet â ohne Herein. Die Gesuchte stand auf der Schwelle. Ein schwaches Rot, das sie merkwürdig verschönte, ging über ihr Gesicht. »Oh Jott â dat Frailein aus die Fabrik!«
Hinter ihr stand ein Mann. Einer der Männer, die ich so oft gesehen. In grauer Jacke, mit fahlem Gesicht, mit tiefgefurchten Zügen und glattrasiertem Kopf. Der trat mit brüsken Schritten vor mich hin und starrte mir dreist ins Gesicht.
»Aus wo'ne Fabrike? Aus Deiner?« â
»Sei stille doch, Fritze.« Schüchtern kam es von des Weibes Lippen. Dann wandte sie sich entschuldigend an mich. Ihr Mann sei soeben »zurückgekommen«. Und habe geschimpft, weil sie schon wieder in die Fabrike gegangen sei und das Kleine so allein gelassen habe, wo ihnen »doch man vor knapp 'nem Vierteljahr det Aelteste druffjejangen wäre â«
O Du, Liebling! Ich befand mich in einer tödlichen Verlegenheit. War gekommen in einer glücklichen Mission, in der ich mich fast wie ein helfender Engel gedünkt, und stand nun da wie ein gescholtener Schulbub. Der Mann dort, der soeben aus dem Gefängnis entlassen worden war, genierte mich unglaublich, und vor der Frau schämte ich mich. Das Gold brannte mir in der Hand. Meine Blicke überflogen hilflos den unwohnlichen, fast kahlen Raum. Ein groÃer, weiÃgescheuerter Tisch. Zwei wacklige Stühle, zwischen den mit vielfach gestopften Gardinen verhängten Fenstern eine alte Kommode, auf der zwei SträuÃe verblichener Papierrosen ein erinnerungsschmerzliches Dasein führten, â und da â aber da
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